Bundestag beschließt am 04.07.2024 über – Steckersolargeräte (Balkonkraftwerke) = privilegierte bauliche Veränderungen – Zulässigkeit von (rein) virtuellen Eigentümerversammlungen

Der Bundestag hat am 04.07.2024 u.a. zwei wichtige/praxisrelevante Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes verabschiedet:

 

  1. Erweiterung der privilegierten baulichen Veränderungen in § 20 Abs. 2 um eine Ziff. 5 „sog. Balkonkraftwerke“

 

  1. Zulässigkeit rein virtueller Eigentümerversammlungen (§ 23 Abs. 1a WEG nF).

 

Zu Ziff. 1: Mit der Aufnahme von Steckersolargeräten (sog. Balkonkraftwerke) in den Kreis der privilegierten baulichen Veränderungen des § 20 Abs. 2 als Nr. 5 WEG nF wird jeder Eigentümer einen Anspruch auf Gestattung im Hinblick auf das sogenannte „Ob“ der Maßnahme haben. Über das „Wie“ der Maßnahme entscheiden weiterhin alle Eigentümer durch Mehrheitsbeschluss, so auch insbesondere über den Ort der Aufstellung. Die Gesetzesbegründung betont, dass eine mögliche „Verkomplizierung“ des Wie – etwa durch Vorgabe schwieriger Modifikationspunkte – nicht dazu führen darf, dass der Aufstellanspruch vereitelt wird. Ebenso wird klargestellt, dass die optische Änderung des äußeren Erscheinungsbildes der Wohnanlage durch Aufstellung von Steckersolaranlagen (einzelner oder auch durch sämtliche Eigentümer) in der Regel kein Verstoß gegen die Veränderungssperre des § 20 Abs. 4 WEG ist; also insbesondere keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage. Es bleibt natürlich die Möglichkeit der unbilligen Benachteiligung einzelner Eigentümer, etwa durch die Art der Anbringung.

Des Weiteren wird im Rahmen der Gesetzbegründung klargestellt, dass die Aufstellungsorte sich nicht auf Balkone beschränken, sondern auch Terrassen und Grünflächen im Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht des aufstellungswilligen Eigentümers sein können; wobei grundsätzlich der Aufstellungsort durch die beschließenden Wohnungseigentümer vorgegeben werden kann („Wie“).

Unabhängig davon handelt es sich bei der Aufstellung von Steckersolargeräten in der Regel um bauliche Veränderungen; auch dann, wenn keine Substanzeingriffe erfolgen, sondern nur eine Veränderung des optischen Erscheinungsbildes. Dies bedeutet, dass in jedem Fall ein Gestattungsbeschluss gem. § 20 Abs. 1 WEG erforderlich ist, auch bei geringfügiger oder nicht vorhandener Beeinträchtigung (vgl. Beschlusszwang-Urteil des BGH vom 17.03.2023 = V ZR 140/22).

 

Zu Ziff. 2: Die Möglichkeit einer rein virtuellen Eigentümerversammlung wird als Ergänzung des § 23 durch einen einzufügenden Abs. 1a erfolgen mit dem Wortlaut: „Die Wohnungseigentümer können mit mindestens 3/4 der abgegebenen Stimmen beschließen, dass eine Versammlung innerhalb eines Zeitraumes von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters … stattfindet oder stattfinden kann … Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein.“

Für den Zeitraum bis einschließlich 2028 ist in § 48 Abs. 6 WEG nF folgende Übergangsregelung vorgesehen: „Fassen die Wohnungseigentümer vor dem 01.01.2028 einen Beschluss nach § 23 Abs. 1a, ist bis einschließlich 2028 mindestens einmal im Jahr eine Präsenzversammlung durchzuführen, sofern die Wohnungseigentümer hierauf nicht durch einstimmigen Beschluss verzichten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse.“ Hiermit soll eine Übergangsperiode bis Ende 2028 geschaffen werden, innerhalb derer immer noch parallel einmal im Jahr eine Präsenzversammlung stattfindet; die übrigen Versammlungen können nach entsprechender Beschlussfassung virtuell stattfinden. Auf die Präsenzversammlung können die Eigentümer allerdings durch einstimmigen Beschluss verzichten.

Im Rahmen dieser Vorschrift werden zwei neue Beschlussquoten kreiert:

– Zustimmung mit „3/4 der abgegebenen Stimmen“: Berechnungsgrundlage dürften hier die in der Eigentümerversammlung anwesenden und vertretenen Stimmrechte sein, wobei das vereinbarte Stimmrecht anzuwenden ist. Hiervon müssen – nach Abzug der Enthaltungen („abgegeben Stimmen“), 3/4 der Stimmrechte mit Ja stimmen.

– „Einstimmiger Beschluss“ (§ 48 Abs. 6 – neu): Das bedeutet nach der Erläuterung des Gesetzesentwurfs: Ausgangspunkt wiederum alle in der ETV anwesenden und vertretenen Stimmrechte. Abstimmungsergebnis ohne Gegenstimmen; Enthaltungen unschädlich; bis zum Grenzwert, dass mindestens eine Stimme dafür ist, und sich alle übrigen enthalten und keine Nein-Stimme vorliegt.

Die in einer virtuellen Versammlung gefassten Beschlüsse sind nicht deshalb anfechtbar oder nichtig, weil keine jährliche Präsenzversammlung stattgefunden hat. Das Unterlassen der Präsenzveranstaltung führt also nur zu einem Anspruch jeden Eigentümers gem. § 18 Abs. 2 WEG gegen die Gemeinschaft auf Durchführung einer einmal jährlichen Präsenzversammlung (neben den virtuellen Eigentümerversammlungen) in der Übergangsphase bis Ende 2028.

Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass bei virtuellen Eigentümerversammlungen der Minderheiten-schutz sichergestellt werden muss; indem etwa Eigentümern ohne technische Möglichkeiten Hilfestellung zu gewähren ist; z.B. durch die Teilnahme im Verwalterbüro, bei einem anderen Miteigentümer, durch Bereitstellung von Teilnahmeräumen, durch technische Unterstützung in der Wohnung; was möglichst im Rahmen der Beschlussfassung bereits zu berücksichtigen ist.

Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren; die nächste Bundesratssitzung ist am 27.09.2024, so dass ab Herbst mit dem Inkrafttreten der neuen Regelungen gerechnet werden kann.