Grundsatzurteil des BGH vom 18.10.2019 über die Vertretung von beklagten Eigentümern im Anfechtungsprozess

Grundsätzlich war bislang klar, dass der Verwalter die beklagten Eigentümer in einem Anfechtungsprozess (sogenanntes Passivverfahren) nach § 27 Abs. 2 Ziff. 2 WEG vertreten darf und hierfür keinen gesonderten Auftrag oder Beschluss braucht. Im Rahmen dieser Vertretung ist er auch berechtigt, einen Rechtsanwalt für die beklagten Eigentümer nach eigener Wahl zu beauftragen, sowohl beim Amtsgericht als auch beim Landgericht. Dies gilt auch für die Einlegung einer Berufung für die beklagten Eigentümer gegen ein beschlussaufhebendes Amtsgerichtsurteil.

 

Weitere Einzelheiten waren bislang aber nicht geklärt, etwa, ob die Vertretungsbefugnis des Verwalters und des von ihm beauftragten Anwaltes auch den Abschluss eines Prozessvergleiches umfasst und wie zu verfahren ist, wenn einzelne der beklagten Eigentümer aus dem Prozess „aussteigen“ wollen, sich entweder nicht mit vertreten lassen oder eine andere Meinung als die übrigen beklagten Eigentümer vertreten. Dies hat der Bundesgerichtshof nun in seiner soeben veröffentlichten Entscheidung vom 18.11.2019 (V ZR 286/18) geklärt:

 

1.

Die Vertretungsmacht des Verwalters für die in einem Anfechtungsverfahren beklagten Eigentümer gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG besteht umfassend, ist nicht nur auf die Abwendung eines Nachteiles beschränkt und umfasst auch den Abschluss eines Prozessvergleiches.

 

2.

Die Wohnungseigentümer haben bei einem Beschlussanfechtungsverfahren die Beschlusskompetenz, dem prozessführenden Verwalter (oder dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt) Weisungen zur Prozessführung zu erteilen, z.B. die Klage anzuerkennen oder einen Prozessvergleich abzuschließen. Hierzu bedarf es eines Beschlusses im Rahmen einer Eigentümerversammlung, an der auch der klagende Eigentümer zu beteiligen ist, jedoch nicht abstimmen darf. Gegen eine vorbereitende Abstimmung der beklagten Eigentümer untereinander (ggf. mit dem Verwalter) hat der BGH nichts einzuwenden.

 

3.

Der einzelne grundsätzlich zunächst mitvertretene, beklagte Eigentümer kann aus der Vertretung durch den Verwalter oder den durch den Verwalter ausgewählten Rechtsanwalt „aussteigen“. Hierzu genügt keine Erklärung gegenüber dem Verwalter oder dem vertretenen Anwalt, da beide grundsätzlich nicht auf Weisungen einzelner Eigentümer reagieren müssen. Für die Beendigung der Vertretungsmacht ist vielmehr erforderlich:

 

  • Im Verfahren erster Instanz: Die Mitteilung des Beklagten (oder seines Anwaltes) an das Gericht, sich selbst zu vertreten;

 

  • zweite Instanz: Nur die Bestellung eines Anwaltes beim Landgericht für den aussteigenden Beklagten.

 

4.

Für einen gerichtlichen Vergleichsabschluss ist auf Beklagtenseite grundsätzlich die Zustimmung sämtlicher beklagter Eigentümer erforderlich, da sie notwendige Streitgenossen sind. Die Zustimmung kann von dem vertretenden Verwalter oder Anwalt abgegeben werden, soweit er die beklagten Eigentümer vertritt (s.o.). Soweit einzelne Eigentümer nicht mehr vertreten werden (s.o.), bedarf es zusätzlich deren individueller Zustimmung, oder der des sie vertretenden Anwaltes.

 

5.

Schlussbemerkung: Die obige Problematik wird sich durch die bevorstehende WEG-Reformauflösen bzw. nicht mehr stellen: Dann ist die Anfechtungsklage nämlich nicht mehr gegen „die übrigen Eigentümer“ zu richten, sondern gegen den Verband. Der Verband wird dann vom Verwalter umfassend (und ohne die Möglichkeit einer Einschränkung) nach außen vertreten, so dass die hier beschriebene „Ausreißer-Situation“ künftig entfällt.

(tb)